Die Osterbrezel
Es mutet zunächst widersprüchlich an, ist aber bei genauerer Betrachtung ein weiterer Beweis dafür, wie tief die Brezel in Kultur und Brauchtum verwurzelt ist: Von der Fastenspeise wandelte sich die Brezel zum Festtagsgebäck. In vielen Regionen Deutschlands kennt man neben der alltäglichen Laugenbrezel auch Palm- oder Osterbrezeln, oft kunstvoll verziert und aus hellem Mehl gebacken.
Die Brezel zu Ostern stand schon in mittelalterlichen Klöstern auf dem Speiseplan
Die Ursprünge der Osterbrezel reichen weit zurück: Aus der Speiseordnung des Klosters Saint Trond in der belgischen Provinz Limburg geht hervor, dass den Mönchen am Morgen hoher Feiertage wie Ostern Brezeln gereicht werden sollen. An Ostern wird die Brezel gleich dem Ei zum Fruchtbarkeits- und Frühlingssymbol. Osterbrezeln aus feinem Hefe- oder Kuchenteig sind auch andernorts verbreitet und urkundlich belegt, etwa um 1909 als „Osterbrezgen“ in Nordheim im Landkreis Donau-Ries. Und in Thüringen bewahren Brezeln gar vor einer recht unvorteilhaften Verwandlung: Wer keine Brezel am Gründonnerstag isst, dem wachsen Eselsohren – das glaubt man zumindest in Mühlhausen im thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis.
Ostern ist mal im März, mal im April. Warum ist das so?
Ostern gehört zu den so genannten beweglichen Feiertagen. Der Termin wurde im 4. Jahrhundert beim Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) festgelegt: Ostern ist am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang. Ostern feiert man somit frühestens am 22. März und spätestens am 25. April. Übrigens: Christi Himmelfahrt und Pfingsten sind ebenfalls bewegliche Feiertage, denn Christi Himmelfahrt wird am 40. Tag der Osterzeit, also 39 Tage nach dem Ostersonntag gefeiert, Pfingstsonntag ist 49 Tage nach dem Ostersonntag. Der Palmsonntag ist der sechste und letzte Sonntag der Fastenzeit und der Sonntag vor Ostern. Mit ihm beginnt die Karwoche. Der Palmsonntag erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem. Der Name Palmsonntag kommt von den Palmzweigen, mit denen ihm zugejubelt wurde. In katholische Gegenden finden am Palmsonntag Prozessionen mit Palmbuschen und vielerorts auch Palmbrezeln statt – diese besonderen Brezeln wurden einst von Paten an ihre Patenkinder verschenkt. Nachweise finden sich unter anderem in Kemnat (Landkreis Günzburg) aus dem Jahr 1909, aus der Nähe von Augsburg aus Gessertshausen und aus Biberachzell im Landkreis Neu-Ulm.
Feste feiern mit der Brezel – auch das hat Tradition
Zwei Veranstaltungen am Palmsonntag stehen im Zeichen der Brezel: So findet im Hungerbrunnental bei Altheim auf der Schwäbischen Alb der „Brezgenmarkt“ statt, erstmals erwähnt wurde er 1533. Auch Altenriet feiert am Sonntag vor Ostern: Die Gemeinde im Landkreis Esslingen hat die Tradition des Brezelmarkt in die Gegenwart gerettet, schon 1848 berichtet das Oberamt Nürtingen von diesem „seit alten Zeiten bestehenden Bretzelnmarkt“. Dabei hat der Altenrieter Brezelmarkt einen tragischen Ursprung: Die Geschwister Brida und Reinhard stritten sich so heftig um eine Brezel, dass sie in den Neckar fielen und ertranken. Lutz von Riet, Burgherr auf Neuenriet, verfügte daraufhin, dass es fortan am Palmsonntag einen Brezelmarkt in Altenriet gebe, denn nie wieder sollten sich Kinder um Brezeln streiten müssen. Heute ist der Brezelmarkt ein großes Volksfest. Nicht weit entfernt, im Raum Urach und Reutlingen, werden den Brezeln an Gründonnerstag und Karfreitag sogar magische Kräfte zugesprochen: Sie sollen vor Fieber und Hexenwerk schützen.